Ein Bericht von Wolfgang Schröter (Nov. 2021)
Unser Mitglied Wolfgang Schröter ist einer der erfahrensten Meteorbeobachter des ÖAV. Seit vielen Jahren dokumentiert er seine Beobachtungen sorgfältig und prägte für nur sehr kurz aufleuchtende Meteore den Begriff "Blitzer".
Das sind mit hoher Wahrscheinlichkeit helle Meteore, deren Flugbahn genau zum Beobachter weist. Dadurch haben sie (fast) keine seitliche Bewegung und blitzen sehr plötzlich auf, um nach wenigen Zehntelsekunden ebenso plötzlich zu erlöschen. Dem visuellen Eindruck nach ähnelt die Erscheinung einem in großer Entfernung ausgelösten fotografischen Blitz.
Infolge der speziellen Flugrichtung der Sternschnuppe erscheint der weiße Lichtpunkt unter den Sternen stillzustehen. Er ist fast immer heller als ein Stern 1. Größe, manchmal sogar heller als Jupiter. Pro Stunde treten 0–2 Blitzer auf, überwiegend unter größeren Höhenwinkeln, aber fast nie unter 30°. Wolfgangs Statistik weist seit 2018 in 70 Meteor-Stunden 58 Blitzer aus. Im Englischen spricht man öfters von single flashes of light in night sky. Im folgenden sein Bericht.
Gottfried Gerstbach, 30.11.2021
Blitzer-Statusbericht 002
Zu Beginn des vorliegenden Berichtes möchte ich noch einmal die bereits im ersten Blitzer-Bericht gelieferte Beschreibung der Blitzer-Eigenschaften wiederholen:
Form | punktförmig |
Aufleuchten | plötzlich |
Leuchtdauer | etwa 0,2 bis 0,4 Sekunden plötzliches Verlöschen |
Helligkeit | etwa 0 bis -1 mag, seltener bis -3 mag |
Farbe | reines, kaltes Weiß |
Lateral-Bewegung | keine oder fast keine |
Altitude | meist deutlich über 35°, fast nie unter 20° |
Vom visuellen Eindruck her ähnelt ein Blitzer einem in großer Entfernung ausgelöstem elektronischen Blitzgerät.
Dies ist eigentlich die anschaulichste Beschreibung.
Eigene Beobachtungen
Entdeckt habe ich die Blitzer bei meinen Perseiden-Beobachtungen. Diese führe ich seit dem Jahr 2004 regelmäßig in der Zeit
um das Perseiden-Maximum (12. August) durch und führe darüber auch schriftliche Aufzeichnungen. Trotzdem kann ich nicht angeben, wann ich meinen ersten Blitzer gesehen habe.
Anfangs habe ich diese Phänomene nämlich in meinen Berichten ignoriert, da ich sie nicht erklären oder einordnen konnte.
In den Perseiden-Berichten der Jahre 2009 und 2010 erwähnte ich bereits Blitzer, listete sie aber noch nicht explizit auf.
Seit dem Jahr 2011 werden die beobachteten Blitzer in meinen Perseiden-Berichten explizit aufgelistet. Seit 2009 habe ich in fast jeder Perseiden-Saison Blitzer gesehen, nur 2012 nicht - obwohl ich damals auf 9 Beobachtungs-Stunden kam.
Seit September 2021 führe ich systematische Satelliten-Beobachtungen durch. Auch dabei sehe ich immer wieder Blitzer, die ich in den Beobachtungs-Berichten vermerke
Durch die Auswertung der Perseiden-Beobachtungen (ab Aug. 2011) und der Satelliten-Beobachtungen (ab Sept. 2021) konnte ich eine Blitzer- Statistik zusammenstellen, die nunmehr laufend aktualisiert wird. Je mehr Daten ich sammle, desto aussagekräftiger wird die Statistik.
Für einen Kalendermonat wird ein Datenblock angelegt, der die Summe der Beobachtungs-Stunden, die Summe der Blitzer-Sichtungen und die durchschnittliche Stundenrate enthält. Für die Jahre 2011 bis 2020 gibt es nur einen Monats-Datenblock pro Jahr, nämlich für den August - den Perseiden-Monat. Erst ab dem Jahr 2021 gibt es auch Daten für andere Monate,
da ich erst 2021 mit den systematischen Satelliten-Zählungen begonnen habe.
Blitzer-Sichtungen sind sozusagen „Beifang“,
zu dem es üblicherweise nur dann kommt, wenn ich mit freiem Auge stundenlang ein großes Himmels-Areal absuche – und das ist eigentlich nur bei Meteor- und Satelliten-Beobachtungen der Fall.
Meine bisherige Statistik lässt noch keine präzisen Aussagen zu, doch soviel lässt sich bereits jetzt sagen: Blitzer kommen nicht sehr häufig vor, aber extrem selten sind sie auch nicht. Wer bei halbwegs brauchbaren Sichtbedingungen (mindestens Stadtrand) ein bis zwei Stunden lang aufmerksam mit freiem Auge den Himmel beobachtet, hat gute Chancen, einen Blitzer zu sehen. Eine Garantie dafür gibt es freilich nicht!
Bei den August-Beobachtungen von 2011 bis 2021 gab es bei den Blitzer- Stundenraten sehr starke Schwankungen, nämlich von 0,0 bis 1,6. Die Schwankungen waren völlig unregelmäßig, und ich konnte keinen Trend herauslesen - weder steigend noch fallend !
Was die sonstigen Monats-Statistiken betrifft, habe ich bisher (Stand November 2021) erst relativ wenige Daten. Soweit zu meinen eigenen Blitzer-Beobachtungen.
Recherchen
Meine weitere Überlegung war :
Da Blitzer zwar nicht sehr häufig, aber auch nicht extrem selten auftreten, müssten eigentlich auch andere Personen welche gesehen haben. Also machte ich mich auf die Suche nach Blitzer-Berichten von anderen Leuten. Auf der Suche googelte ich im Internet herum, zunächst auf deutsch, später auch auf englisch. Weiters machte ich (via Gottfried Newsletter) eine Umfrage beim Österreichischen Astronomischen Verein.
Im Internet fand ich einiges: im deutschen Sprachraum eher weniger, im englischen Sprachraum mehr, z.B. www.gutefrage.net helles-sehr-kurzes-aufleuchten-am-nachthimmel , www.backyardastronomy.net single-flashes-of-light-in-night-sky
Bei meiner Umfrage im Newsletter des ÖAV erhielt ich bisher (Stand 26. Nov. 2021) nur eine einzige Rückmeldung, diese war allerdings ausführlich und sehr interessant.
Um meine Such-Ergebnisse kurz zusammenzufassen :
Ja, es haben auch andere Leute Blitzer-Phänomene beobachtet, und vermutlich gar nicht so wenige Leute. Die Personen, von denen die Berichte stammen, sind teilweise Laien, teilweise haben sie aber naturwissenschaftliche und astronomische Kenntnisse. Nicht alle Berichte sind gleich präzise, aber aus vielen ist doch zu entnehmen, dass die betreffenden Personen die gleichen Phänomene gesehen haben wie ich. Etliche Beobachterinnen und Beobachter machen sich über die Blitzer Gedanken und suchen nach Erklärungen für diese Phänomene.
Häufig geäußerte Vermutungen sind, dass es sich bei den Blitzern um Meteore oder Satelliten-Flares handeln könnte – was auch für mich die beiden wahrscheinlichsten Thesen sind.
Mögliche Erklärungen für das Blitzer-Phänomen
- These 1
- Blitzer sind Meteore, die genau auf die beobachtende Person zufliegen.
Pro : plötzliches, kurzes Aufleuchten, plötzliches Verlöschen.
Contra : Wenn gerade kein Meteorstrom aktiv ist, sieht man fast keine normalen Meteore, aber sehr wohl Blitzer. - These 2
- Blitzer sind atypische, extrem kurze Satelliten-Flares.
Pro : Blitzer sind nach bisheriger Datenlage außerhalb von Meteorströmen nicht seltener als während deren Aktivität.
Contra : Satelliten-Flares schauen normalerweise ganz anders aus, weil deren Helligkeit nimmt allmählich zu und nach dem Maximum wieder allmählich ab. Die Leuchtdauer beträgt meist mehrere Sekunden. - These 3
- Blitzer sind elektrische Entladungen in der Atmosphäre.
Auf diesem Gebiet kenne ich mich zu wenig aus. Hinweise auf einen Zusammenhang mit Gewittern gibt es jedenfalls nicht. - These 4
- Blitzer entstehen durch Einschläge energiereicher Teilchen in der Netzhaut der beobachtenden Person.
Contra : Bei Astronauten ist dieser Effekt bekannt, aber solche Teilchen werden es kaum bis zur Erdoberfläche schaffen. Außerdem könnten in diesem Falle nicht mehrere Personen den selben Blitzer wahrnehmen.
Mögliche Lösungen
Von einem einzigen Beobachtungsort aus kann man zwar die Richtung eines Objektes, aber nicht dessen räumliche Position und damit auch nicht die Entfernung feststellen - zumindest dann nicht, wenn man keine Bezugspunkte und keine Ahnung von der Größe und der tatsächlichen Helligkeit des Objektes hat. Könnte man Blitzer von mehreren Punkten aus beobachten, dann könnte man ihre räumliche Position und damit auch ihre Entfernung und ihre Höhe durch Triangulation bestimmen. Wenn das gelänge, wäre viel gewonnen.
Anmerkung GG: die gleichzeitige Beobachtung durch zwei räumlich entferne Personen ist leider ziemlich unwahrscheinlich.
Beträgt die Höhe einige hundert oder einige tausend Kilometer, dann muss es sich um Reflexe von Satelliten oder Weltraum-Müll handeln. Beträgt die Höhe etwa 60 bis 100 Kilometer, dann handelt es sich höchstwahrscheinlich um Meteore. Ist die Höhe wesentlich geringer als 60 Kilometer, dann sind es vermutlich atmosphärische Entladungen.
Die Triangulation würde freilich nur dann funktionieren, wenn die Blitzer in alle Richtungen blitzen. Würde hingegen ein scharf gebündelter Lichtstrahl abgegeben, könnte nur eine Station einen Lichtblitz sehen, die anderen aber nicht.
Klosterneuburg-Weidling, den 26. 11. 2021, Wolfgang Schröter